Geschichte

Kurze Chronologie 1937-1944

Für eine ausführliche Geschichte des KZ Sajmište verweisen wir auf das Transkript der Vorlesung von Dr Milan Koljanin in serbischer Sprache und auf die Bibliographie.
>> Transkript
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>> Bibliographie

Das Belgrader Messegelände – Beogradsko sajmište 1937-38

1937
Erste Bauphase der Belgrader Messegeländes. Die fünf Jugoslawischen Pavillons sind die ersten Pavillons, die errichtet werden. Später kommen der Zentrale Turm, der Italienische, Ungarische, Rumänische, Tschechoslowakische und der Spasić-Pavillon dazu.
Am 11. September 1937 findet die Eröffnung der Ersten Belgrader Messe statt.

1938
Mit der Eröffnung des Türkischen und des Deutschen Pavillons wird die zweiten Bauphase abgeschlossen.
Hier können Sie originale Filmaufnahmen der Eröffnung sehen:
>>  semlin.info

Beginn der Okkupation Jugoslawiens

1941
Im April 1941 greifen Deutschland und seine Verbündeten Jugoslawien an. Bei der Bombardierung Belgrads am 6. April 1941 wird die König-Aleksander-Brücke (die heutige Branko-Brücke) zerstört. Die Pavillons auf dem Messegelände bleiben dagegen weitgehend unbeschädigt.

16. April 1941
Die Gestapo gibt eine Verordnung heraus nach der sich alle Juden unter Androhung der Todesstrafe bei der deutschen Polizei melden müssen. Dort werden sie registriert und müssen gelbe Armbinden tragen.
Hier können Sie das historische Dokument übernehmen:
>> Dokument: Verordnung vom 16.4.1941

31. Mai 1941
Die Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner wird verhängt. In dieser wird festgelegt, wer als Jude und als "Zigeuner" zu betrachten ist. Mit der Verordnung werden Juden und Roma aus dem öffentlichen und aus dem Wirtschaftsleben ausgeschlossen, faktisch wird ihr Besitz beschlagnahmt, sie werden zur Zwangsarbeit verpflichtet, müssen sich registrieren und in spezielle Listen eintragen (Judenregister und Zigeunerlisten). Das Tragen der gelben Armbinden wird Pflicht für Juden und Roma, es wird ihnen verboten im öffentlichen Dienst zu arbeiten sowie die Berufe Rechtsanwalt, Arzt, Zahnarzt, Tierarzt und Pharmazeut auszuüben. Außerdem wird ihnen der Besuch von Kino, Theater, Unterhaltungsstätten, Öffentlichen Bädern, Sportplätzen und öffentlichen Märkten verboten.
Hier können Sie den Originaltext der Anordnung lesen:
>> elmundosefarad.wikidot.com

Juli–Dezember 1941
Die deutsche Wehrmacht beginnt mit Massenerschießungen der männlichen Bevölkerung mit jüdischer und Roma Herkunft. Die Männer waren vor allem im Militärlager Topovske šupe an der Autokomanda inhaftiert worden. Sie wurden dort als Geiseln gehalten und waren für die Erschießungen in den Vergeltungsaktionen vorgesehen, mit denen der Aufstand in Serbien niedergeworfen werden sollte. Die zurückgebliebenen Familienmitglieder, Frauen, Kinder und Alte werden im Lager auf dem Messegelände (Sajmište) interniert. Es trägt den Namen Judenlager Semlin (Jevrejski logor Zemun).

Judenlager Semlin - Jevrejski logor Zemun

8. Dezember 1941
Die Gestapo für Serbien gründet das Lager auf Sajmište unter dem Kommando der SS. Nachdem man ihre Männer erschossen hatte, werden die jüdischen und Roma Familien, überwiegend Frauen, Kinder und Alte, in das Judenlager Semlin gebracht. Insgesamt waren etwa 6400 Jüdinnen und 600 Roma interniert. Eine der ersten Gefangenen war die Krankenpflegerin Hilda Dajč. Vier ihrer Briefe aus dem Lager sind erhalten.
>>  Dokumentation: semlin.info

Januar–März 1942
Von Januar bis Ende März 1942 wird der größte Teil der Roma aus dem Lager entlassen. Nach einer nachträglichen Ergänzung der Verordnung betreffend die Juden und Zigeuner bezog diese sich nur auf Roma ohne festen Wohnsitz. Gefangene Roma Familien, die mit einer Meldebescheinigung aus der Behörde einen Wohnsitz nachweisen konnten, hatten damit die Möglichkeit, einen Antrag auf Entlassung aus dem Lager zu stellen. Die jüdische Krankenschwester Matilda, die zur Vorsteherin des „Zigeunerlagers“ abgestellt worden war, hatte das Schreiben dieser Anträge organisiert und sie bei der Lagerkommandatur eingereicht. Was mit der Gruppe geschehen ist, die keinen Wohnsitz nachweisen konnte ist nicht gänzlich geklärt.

März 1942
In der zweiten Märzhälfte treffen die Offiziere Wilhelm Goetz und Erwin Meyer mit dem Vergasungswagen in Belgrad ein, einer Spezialanfertigung der Marke Saurer, die zur Massentötung von Menschen entwickelt worden war. Am 18. und 19. März 1942 setzt die deutsche Polizei alle Ärzte und Patienten im Jüdischen Krankenhaus in der Visokog Stevana Strasse fest (heute befindet sich dort die Defektologische Fakultät, vor der Besatzung war es das Gebäude der Jüdischen Frauengemeinschaft). Mit ihnen werden auch die Belegschaft und die Patienten verhaftet, die eine Straße weiter im Gebäude des Jüdischen Kulturvereins Oneg Shabbat in der Jervrejska Str. untergebracht waren. Zwischen dem 19. und dem 22. März 1942 werden 700-800 Jüdinnen und Juden dieser Gruppe mit dem Vergasungswagen weggefahren und erstickt. Ihre toten Körper werden in vorbereiteten Gruben in Jajince bei Belgrad vergraben.

Anfang April–10. Mai 1942.
Den jüdischen Frauen und ihren Familien wird mitgeteilt, dass sie in ein anderes Lager nach Polen oder Rumänien verlegt werden. Es wird ihnen gesagt dass sie ihre Sachen in Pakete schnüren und mit Name und Adresse versehen sollen. Alle wurden im Vergasungswagen erstickt, auf dem Weg über die Pontonbrücke, quer durch Belgrad und bis nach Jajince. Dort werden ihre toten Körper vergraben, zusammen mit den Leichen anderer Häftlinge. Zwischen 1943-44 werden die Leichen exhumiert und verbrannt, um die Spuren zu verwischen. Die Verantwortlichen für die Vernichtung der jüdischen Familien waren Emanuel Schäfer, Befehlshaber des SD in Serbien, Bruno Sattler, Chef der Gestapo in Belgrad, sowie der Kommandant des Judenlagers Semlin, Herbert Andorfer, mit seinem Helfer Edgar Enge. Emanuel Schäfer wurde in der BRD zu etwa 5 Jahren, Bruno Sattler in der DDR zu lebenslänglicher Haft verurteilt.

Anhaltelager Semlin - Prihvatni logor Zemun

Mai 1942
Nach der Vernichtung der jüdischen Familien bekommt das Lager Sajmište eine neue Funktion. Häftlinge aus anderen KZs werden hier interniert und dann zur Zwangsarbeit nach Deutschland oder in deutsch besetzte Länder verschleppt. Nach jetzigem Kenntnisstand sind etwa 32.000 Menschen durch das Lager geschleust worden, 10.636 haben dort ihr Leben verloren.

Sommer 1942
Im Lager kommt eine große Zahl von Häftlingen an, die aus Kozara, Ost-Bosnien und der bosnischen Krajna stammen. Ein Teil dieser Menschen kommt aus den von den kroatischen Faschisten (Ustaša) geführten Lagern in Jasenovac und Stara Gradiška. Etwa 3.000 Internierte werden nach Jasenovac rückgeführt. Dort werden sie sofort ermordet.

August 1942
Arbeitsfähige und gesunde Häftlinge werden ausgesondert und in ein neues Lager gebracht, das in unmittelbarer Nähe des Lagers Sajmište in Richtung Sawemündung aufgebaut wurde.

1943
Sajmište bekommt ein zentrale Rolle im deutschen Lagersystem. Es werden Häftlinge aus Italien, Griechenland und Albanien aufgenommen.

16–17. April 1944
Eine große Zahl Internierter kommt während der Bombardierung Belgrads durch die Alliierten um. Nur wenige können die Chance nutzen, um zu fliehen.

17. Mai 1944
Die Verwaltung des Lagers wird der Ustaša-Polizei übergeben, es dient aber weiterhin deutschen Interessen und verbleibt unter dem Kommando einen deutschen Offiziers.

Juli 1944
Das Lager wird aufgelöst. Die letzten Häftlinge werden in andere Lager überführt oder freigelassen.

Diese kurze Chronologie wurde zusammengestellt mit Informationen aus folgenden Veröffentlichungen:
Milan Koljanin, Nemački logor na Beogradskom sajmištu, Institut za savremenu istoriju, Beograd, 1992
Dragoljub Acković, Romi u Beogradu – Istorija, kultura i tradicija Roma u Beogradu od naseljavanja do kraja XX veka, Rominterpress, Beograd, 2009